„Serse“: Max Emanuel Cencic & Franco Fagioli in Höchstform bei den 42. Internationalen Händel-Festspielen Karlsruhe

Franco Fagioli als "Serse"(Foto: Falk von Traubenberg)

Franco Fagioli als „Serse“ (Foto: Falk von Traubenberg)

Manchmal ist weniger mehr. Hier nicht! Was Max Emanuel Cencic in der Inszenierung seiner großen „Serse-Show“ auf die Bühne stellt, ist bunt, schrill, sexy, überzeichnet, plakativ und unglaublich lustig.

Wo sieht man schon Klassikstars in wirklich fieser Badebuxe halbnackt auf der Bühne singen? Wo wird so ausufernd schauspielerisch kopuliert wie gesanglich koloriert? Wo werden persische Herrscher zu Popstars, die ihren Fans die neuesten Charterfolge als waschechte Siege auf dem Feld unterjubeln? Ja, so unterhaltsam und kurzweilig kann Oper sein, wenn man zur Abwechslung mal nicht alles bierernst nimmt – vor allem nicht sich selbst.

„Serse“ funktioniert unter Max Emanuel Cencic genauso gut wie sein „Arminio“ 2016

Da wird zur berühmten Rachearie „Crude furie degli orridi abissi“ schon einmal mit dem federgeschmückten Kragen gegockelt wie der sprichwörtliche Hahn auf dem Mist. Da wird „Ombra mai fu“ als Klavierballade im Nachtclub geschmettert und dem Publikum mit einem großen Applaus-Leuchtzeichen eben jener abgerungen. Da legt die graue Maus Atalanta zu „Un cenno leggiadretto“ eine fesche Sohle aufs Parkett und wirkt plötzlich gar nicht mehr wie eine unglücklich verliebte Frau, die keiner haben will.

Macht auch im Pornostar-Look viel her: Max Emanuel Cencic in "Serse" (Foto: Falk von Traubenberg)

Macht auch im fiesen Pornostar-Look viel her: Max Emanuel Cencic, mittig, in „Serse“ (Foto: Falk von Traubenberg)

Das Spiel mit gewohnten Hör- und Sehgewohnheiten hat schon in „Arminio“ 2016 wunderbar funktioniert. Auch die turbulente Händel-Oper „Serse“ wächst sich unter Cencic‘ Hand zu einem überschäumenden Spektakel aus, das keine Sekunde langweilig ist, ohne seinen künstlerischen Gehalt zu verlieren.

Eine Oper, zwei Countertenor-Stars: Franco Fagioli und Max Emanuel Cencic begeistern

Es musizieren die hervorragend aufgestellten Händel-Solisten unter George Petrou, der Festspiel-Chor und eine waschechte Star-Besetzung. Neben Cencic als Regisseur und Darsteller des Arsamene findet sich mit Franco Fagioli in der Titelpartie schließlich direkt noch ein weiterer großer Name auf der Besetzungsliste, was an sich schon beachtlich ist. Die offenbar erstklassige Chemie zwischen den Beiden überrascht dann aber noch mehr.


„Wie kann es sein, dass zwei Countertenor-Stars gemeinsam auf der Bühne stehen und das Haus nach sechs Wochen Probenarbeit trotzdem noch steht?“ sinniert Michael Fichtenholz, Leiter der Internationalen Händel-Festspiele, in seiner Eröffnungsrede. Tja, man weiß es nicht, darf sich aber freuen. Denn die können nicht nur erstklassig singen, sondern auch miteinander.

Schrill und immer einen Tick drüber: „Serse“ in der Glitzerwelt von Las Vegas

Der Prince of Persia wird zum "Tom of Persia" ;-) (Foto: Falk von Traubenberg)

Der King of Persia wird zum „Tom of Persia“ 😉 (Foto: Falk von Traubenberg)

Die Handlung spielt in der Glitzerwelt von Las Vegas in den 1970er Jahren und ist in ihrer Anlage immer einen herrlichen Tick drüber. Die Kostüme von Sarah Rolke würden sogar Liberace vor Neid erblassen lassen und auch das Bühnenbild von Rifail Ajdarpasic ist einfach klasse. Ob Nachtclub, Poolhaus, Szene-Strich oder Shopping-Tempel … hier gibt es nicht nur viel zu hören, sondern auch immer etwas zu sehen. Selbst ausufernde Da-capo-Arien sind so gefühlt deutlich flotter und kürzer.

Die Story von „Serse“ in aller Kürze: Liebe, Sex und eine Mordsgaudi

Xerxes, der König von Persien, hat zwar eine Verlobte und besingt auch gerne mal Bäume (oder in diesem Fall wohl eher Palmen), aber steigt trotzdem der Geliebten seines Bruders nach (von Lauren Snouffer als Romilda stimmlich wie darstellerisch hervorragend in Szene gesetzt). Es kommt wie es kommen muss: große Gefühle, viel Alarm, ein ewiges Hin und Her, viele fliegende Herzen auch von anderer Seite … Hollywood hätte es sich nicht schöner ausdenken können. Was für ein toller Auftakt der 42. Internationalen Händel-Festspiele Karlsruhe am 15. Februar 2019 im Badischen Staatstheater.

Besetzung: Händel „Serse“ bei den 42. Internationalen Händel-Festspielen Karlsruhe 

Serse Franco Fagioli Arsamene Max Emanuel Cencic Romilda Lauren Snouffer Atalanta Katherine Manley Amastre Ariana Lucas Ariodate Pavel Kudinov Elviro Yang Xu Musikalische Leitung George Petrou Regie Max Emanuel Cencic Bühne Rifail Ajdarpasic Kostüme Sarah Rolke Licht Stefan Woinke Choreografie David Laera Mitarbeit Kostüme Wicke Naujoks Chorleitung Marius Zachmann Dramaturgie Boris Kehrmann

Tipp: Die Vorstellungen in 2019 sind alle ausverkauft, aber es gibt jetzt schon Tickets für 2020. (Werbung wegen Verlinkung | unbezahlt)

Mach mir den Rockstar, Baby. Lauren Snouffer als Romilda (Foto: Falk von Traubenberg)

Mach mir den Rockstar, Baby. Lauren Snouffer als Romilda (Foto: Falk von Traubenberg)


Text: Elisa Reznicek, lebelieberlauter.de
Bilder: Falk von Traubenberg, über den Presseservice des Badischen Staatstheaters Karlsruhe
Videos: abgerufen am 17.2.19 auf der offiziellen YouTube-Seite des Badischen Staatstheaters Karlsruhe – bitte beachte auch die Datenschutzhinweise zum Abspielen von YouTube-Videos auf meiner Seite