Eröffnung der 41. Internationalen Händel-Festspiele Karlsruhe mit „Alcina“-Premiere & Valer Sabadus

Alcina-Premiere mit Layla Claire in der Titelpartie (Foto: Felix Grünschloß/Badisches Staatstheater Karlsruhe)

„Ich habe Glück und kann mich freuen, denn ich habe einen Sitz im Himmel“, heißt es in einer Arie des Aci in „Polifemo“ von Nicola Antonio Porpora, die Valer Sabadus am Samstag vortrefflich interpretiert. In der Tat kann sich jeder glücklich schätzen, der am ersten Wochenende der 41. Internationalen Händel-Festspiele Karlsruhe eine Karte fürs Große Haus ergattert. Näher kommt man dem (Barock-)Himmel schließlich kaum. 

Die Premiere der Oper „Alcina“ am Badischen Staatstheater Karlsruhe ist entsprechend genauso schnell ausverkauft wie die Sonntagsvorstellung und das Konzert „Tiranno Amor“ mit Countertenor Valer Sabadus und ausgewählten Mitgliedern der Deutschen Händel-Solisten.

Erstklassiger Start der 41. Internationalen Händel-Festspiele Karlsruhe

Ich bin sowohl am Freitag, den 16.2., als auch am Samstag, den 17.2.2018, vor Ort. Und ja: Ich freue mich riesig, dass das Festival wieder einmal einen so erstklassigen Start hinlegt. Kein Wunder bei der Besetzung und dieser Fülle vorzüglicher Barock-Musik. Damit bin ich natürlich nicht allein, denn selbst der Karlsruher Oberbürgermeister Dr. Frank Mentrup hat sich vom Händel-Fieber anstecken lassen. „Das Festival, das uns zu Höchstleistungen anspornt“ (Intendant Peter Spuhler) verlässt man nach seiner Ansicht „immer bereichert und beschenkt“. Dieser Meinung schließe ich mich gerne an. 🙂

41. Internationale Händel-Festspiele eröffnen mit „Alcina“-Premiere und Konzert von Valer Sabadus (Design: Badisches Staatstheater, Bilder: PR)

Nach 40 Jahren wieder im Programm: Oper „Alcina“ feiert Premiere

Los geht’s mit der Premiere von „Alcina“, die zuletzt in einer stark eingekürzten deutschen Fassung vor 40 Jahren bei den ersten Händel-Tagen 1978 auf dem Programm stand. Der künstlerische Leiter Michael Fichtenholz, der just in jenem Jahr geboren ist, bekam eine Aufnahme der „Alcina“ einst auf Schallplatte geschenkt. „Es war Liebe auf den ersten Blick“ beziehungsweise Höreindruck, wie er bei der Eröffnung der Festspiele schwärmt. Wenn das alles mal keine guten Omen sind! Fichtenholz zeichnet sich 2018 neben Boris Kehrmann auch für die Dramaturgie verantwortlich.

In der Ruhe liegt die Kraft: Deutschlanddebüt von Regisseur von James Darrah

Die Leitung hat der junge US-Amerikaner James Darrah. Der für seine bildgewaltigen Inszenierungen bekannte Regisseur gibt in Karlsruhe sein Deutschland-Debüt. Darrah verbindet große Oper mit wunderschön anzusehenden Elementen des Tanztheaters, und das in einem bewusst verschlankten Raum und mit einer ruhigen Bildführung. Er lässt die Figuren auf einer reduzierten, in den unterschiedlichsten Gold-Tönen schimmernden Bühne  mit einer natürlichen Eleganz und ohne barocke Affektiertheit agieren. Diese wirkt auch ohne die Heerschar von verzauberten Wesen und sonstigen Tand wie die besungene Zauberinsel (unglaublich kunstvoll-ästhetisches Setting und Licht von Mac Moc Design).

Die Videoprojektionen von Adam Larsen sind Teil der Zauberwelt (Foto: Falk von Traubenberg/Badisches Staatstheater)

Auch wenn einige kritisieren, dass Darrahs „Alcina“ mit Layla Claire, Benedetta Mazzucato und David Hansen mitnichten die Durchschlagskraft von Cencics „Arminio“ (2016) oder auch der „Semele“ aus dem vergangen Jahr hat, so ist das meiner Meinung nach Meckern auf sehr hohem Niveau. Mag sein, dass manch einer bei einer Oper mit derart vielen Da-capo-Arien, Rezitativen und einer Spieldauer im Bereich der Extended Version von „Herr der Ringe“ ordentlich Wumms braucht. Aber dieses „Mehr ist mehr“, das der Musik in vielen anderen Inszenierungen schlicht die Show stiehlt, sollte nun auch keine Patent-Lösung sein.

Barock-Musik vom Feinsten mit Layla Claire als „Alcina“

Denn die Musik spielt neben den Charakteren nun einmal die Hauptrolle. Diese verliert unter der Leitung von Andreas Spering niemals an Impuls. Das liegt auch an der hervorragenden Besetzung, die vom Händel-Festspielchor (Carsten Wiebusch) und den Deutschen Händel-Solisten getragen wird.

Layla Claire und David Hansen in der Alcina (Foto: Falk von Traubenberg/Badisches Staatstheater)

So feiert unter anderem die hochschwangere Layla Claire in der Titelpartie ihre Premiere. Stimmgewaltig. Glasklar. Beweglich. Ausdrucksstark. Respekt! Wer von ihrem „Ah! Mio cor!“ nicht berührt wird, hat wohl ein eiskaltes Herz. So allein, wie Alcina in diesem Moment wirkt, so nah ist man als Hörer bei ihr. Intimer kann man die Szene kaum umsetzen. Auch Bradamante, die in der Oper mal als Mann, mal als Frau wahrgenommen wird, wird perfekt von Benedetta Mazzucato getroffen. Die italienische Altistin ist mein heimlicher Star der Inszenierung, denn zu ihrer Stimme gesellt sich auch ihre Bühnenpräsenz! An ihrer Seite wirken die „echten“ männlichen Charaktere bisweilen erstaunlich blass und unentschieden. 😉 Die dritte starke Frauenstimme (ich werde hier nicht alle aus dem Cast aufzählen) ist Sopranistin Aleksandra Kubas-Kruk als Morgana mit Esprit und Charisma.

David Hansen als Ruggiero überzeugt nicht

Gar nicht gefällt mir allerdings der schwer gehypte David Hansen als Ruggiero. Seine Stimme wirkt wenig tragfähig und bisweilen gar forciert. Sein Auftreten ist affektiert und, nennen wir’s beim Namen, affig. Die Rolle hätte man besser mit Franco Fagioli oder Valer Sabadus besetzt (zuletzt als Ruggiero am Theater Basel), die beide ebenfalls bei den diesjährigen Händel-Festspielen mit von der Partie sind. Vor allem im direkten Kontrast mit dem US-amerikanischen Bass-Bariton Nicholas Brownlee als Melisso wird Hansen schlicht an die Wand gesungen. Brownlee hingegen hat mir schon ausgesprochen gut in „Simon Boccanegra“ gefallen. Man sollte ihn im Auge (und Ohr) behalten!

Das besondere Extra: die deutschen Übertitel

Apropos Auge: Ein besonderer Spaß sind dieses Mal die deutschen Übertitel, die extra neu angefertigt wurden. Was angeblich den italienischen Originalton genau treffen soll (flapsig wo flapsig, reimend wo reimend etc.), sorgt immer wieder für Lacher und bei ernsteren Gemütern auch für deutliches Stirnrunzeln. Wo liest man sonst in der Oper schon kernige Aussagen wie „Du Waschlappen!“, die kontrastiert werden von gestelzten Begriffen wie „Empathie“ und „Erzeuger“, wo es vielleicht auch „Mitgefühl“ und ein schlichtes Papa wie im Italienischen getan hätte.

Besetzung der „Alcina“ am Badischen Staatstheater, 16.2.2018

Alcina Layla Claire Ruggiero David Hansen Morgana Aleksandra Kubas-Kruk Bradamante Benedetta Mazzucato Oronte Alexey Neklyudov Oberto Carina Schmieger Melisso Nicholas Brownlee Musikalische Leitung Andreas Spering Regie James Darrah Bühne & Licht Mac Moc Design Video Adam Larsen Kostüme Chrisi Karvonides-Dushenko Chor Carsten Wiebusch Dramaturgie Michael Fichtenholz, Boris Kehrmann HÄNDEL- FESTSPIELCHOR
DEUTSCHE HÄNDEL-SOLISTEN

Der zweite Abend: Die große Bühne gehört Valer Sabadus – zu Recht! 

Der Samstag übertrifft meiner Meinung nach musikalisch und emotional sogar noch den Freitag. Valer Sabadus habe ich das erste Mal 2016 mit Dowland-Lautenliedern bei den Händel-Festspielen gesehen – und ich wünschte, ich wäre auch beim „Teseo“ damals dabei gewesen. Das muss großes Kino gewesen sein! (s. Video)

Nun also ist der Countertenor mit der ausdrucksstarken „Engelsstimme des Barock“ zurück und gibt gemeinsam mit einer Auswahl der deutschen Händel-Solisten ein exquisites Konzert.


Auf dem Plan stehen Kantaten und Arien von Georg Friedrich Händel, Nicola Antonio Porpora und Antonio Vivaldi. Dazu kommen Instrumentalwerke von Henry Purcell, Johann Friedrich Fasch und Georg Philipp Telemann. Wer noch kein Fan von Sabadus war, ist es spätestens nach diesem Auftritt!

Konzert mit Valer Sabadus bei den 41. Internationalen Händel-Festspielen Karlsruhe

Der Namensgeber „Crudel tiranno, Amor“ HWV 97 gibt die Marschrichtung vor: Es geht um Liebe in all ihren Facetten. Sehnsucht, Leidenschaft, Raserei, Lust und Verlust. Und all diese Schattierungen werden von Sabadus mit Hingabe und Feinsinn derart klangschön ausgekostet, das man ihm nur an den Lippen hängen kann. Zu sehen und zu hören, wie die Musik in ihm arbeitet, wie er sie mit stupender Technik schwingen lässt und trägt, ist einfach nur himmlich. Dass er zudem überhaupt nicht gekünstelt und aufgesetzt wirkt, sondern ganz im Dienste der Musik mit den Instrumentalisten eine Einheit bildet, kommt dem Ganzen ebenfalls zu Gute. Gerade dieses Miteinander adelt den Abend noch ein kleines Stückchen mehr.

Konzert mit Countertenor Valer Sabadus in Karlsruhe (Foto: Arno Kohlem/Badisches Staatstheater)

Konzert mit Countertenor Valer Sabadus in Karlsruhe (Foto: Arno Kohlem/Badisches Staatstheater)

Auch die Auswahl der Deutschen Händel-Solisten überzeugt

Im hervorragenden Ensemble stechen vor allem die Damen in den hohen Streichern heraus (Violine: Andrea Keller & Almut Frenzel, Viola: Jane Oldham), die mit einer derartigen Emphase und Präsenz unter anderem Johann Friedrich Faschs Sonata à 4 in d-Moll interpretieren, dass man sich von ihrer (Spiel-)Freude nur anstecken lassen kann.

Begeisterung im gesamten Großen Haus

Kein Wunder, dass es das Publikum im gesamten (!) Großen Haus am Ende vor Begeisterung von den Sitzen reißt. Es gibt Bravo-Rufe, stehende Ovationen, das volle Programm und gleich zwei Klassiker als Zugaben: Händels „Lascia la spina“ sowie „Ombra mai fu“, das auch als kleiner Fingerzeig auf Cencics „Serse“ nächstes Jahr bei den Internationalen Händel-Festspielen Karlsruhe verstanden werden darf!

Programm des Konzerts „Tiranno Amor“ 

  • Henry Purcell Chaconne in g-Moll Z 730
  • Georg Friedrich Händel Kantate „Crudel tiranno, Amor“ HWV 97
  • Johann Friedrich Fasch Sonata à 4 in d-Moll
  • Nicola Antonio Porpora „Alto Giove“, „Senti il fato“ aus Polifemo
  • Georg Philipp Telemann Concerto polonois in G-Dur TWV 43:G7
  • Antonio Vivaldi „Vedrò con mio diletto“ aus Giustino RV 717
  • Georg Friedrich Händel „L’aure che spira tiranno e fiero“ aus Giulio Cesare in Egitto HWV 17
  • Georg Philipp Telemann Concerto à 4 in d-Moll TWV 43:d2
  • Antonio Vivaldi „Gelido in ogni vena” aus Farnace RV 711
  • Georg Friedrich Händel „Venti turbini“ aus Rinaldo HWV 7

Mit Valer Sabadus (Countertenor) und Andrea Keller & Almut Frenzel (Violine), Jane Oldham (Viola), Jonathan Pesek (Violoncello), David Sinclair (Violone), Rien Voskuilen (Cembalo), Sören Leupold (Laute), Susanne Regel & Wolfgang Dey (Oboe), Rhoda Patrick (Fagott)

Mein offizielle Zeitungskritik aus dem Badischen Tagblatt

BT-Kritik zu Sabadus.

Meine Zeitungskritik aus dem BT. Zum Vergrößern bitte anklicken.

Mehr über Valer Sabadus gibt’s in einem ausführlichen Interview bei ARD-alpha


Text: Elisa Reznicek, lebelieberlauter.de

Fotos-Credits:
(1) Elisa Reznicek, Design der Info-Karten: Badisches Staatstheater, Bilder: PR
(2) Felix Grünschloß/Badisches Staatstheater Karlsruhe
(3) Falk von Traubenberg/Badisches Staatstheater
(4+5) Arno Kohlem/Badisches Staatstheater