„Hieronymus B.“ am Theater Heidelberg – Nanine Linning und Tanz-Ensemble in Höchstform (21.5.2016)

HieronymusB_02_Foto_Kalle Kuikkaniemi„Ich mache mir kein Bild von der Hölle. Ich zeige sie so, wie sie ist“, soll Hieronymus Bosch einmal gesagt haben. Der niederländische Maler, dessen Todestag sich 2016 zum 500. Mal jährt, illustrierte die Versuchungen des Teufels in buchstäblich mannigfaltiger Gestalt.

Fabelwesen mit verzerrten Fratzen tummeln sich auf seinen Bildern. Hässliche Gnome und Bestien. Mit Symbolen überladende Figuren, die auf die sieben Todsünden verweisen. Überzeichnete Tiere. Menschenmonster. „Überall hausen Geister und Dämonen. Sei wachsam. Sei wachsam!“

„Hieronymus B.“ als weiteres Tanz-Highlight am Theater Heidelberg

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Sein überbordendes, faszinierendes, aber auch psychologisch zerrissenes Werk zieht die Betrachter seit Jahrhunderten in den Bann – selbstverständlich ohne einfache Antworten zu liefern. „Grandiose Bilderrätsel“, nennt sie die ZEIT, und Bosch einen „Höllenforscher“. Sich dieser Vielschichtigkeit in einer weiteren Kunstform zu nähern, erfordert Mut – und eine Frau wie Nanine Linning. Die künstlerische Leiterin und Chefchoreografin der Dance Company Nanine Linning/Theater Heidelberg ist bekannt für ihren interdisziplinären Ansatz, der das kleine Haus am Neckar zu einem der renommiertesten Orte für zeitgenössische Tanzaufführungen gemacht hat. Stuttgart? Berlin? In Heidelberg spielt die Musik (bzw. das Ballett)!

Bildgewaltiges Tanz-Triptychon von Nanine Linning

HieronymusB_03_Foto_Kalle KuikkaniemiBoschs Welten bringt Linning in Zusammenarbeit mit ihren hervorragenden Tänzerinnen und Tänzern sowie Künstlern anderer Sparten als opulentes, bildgewaltiges Triptychon auf die Bühne im Maguerre Saal. Dieses verlangt mehr als zwei Stunden lang alles von den Mitwirkenden ab und zieht die Zuschauer mitten hinein ins Geschehen. „Seht her: Die Hölle ist immer und überall! In uns selbst. Und um uns herum.“ scheint eine ihrer Botschaften – analog der von Bosch – zu sein. Sie wird während der Pause und danach noch lebhaft diskutiert (übrigens ein sicheres Zeichen dafür, dass der Ansatz der Holländerin funktioniert).

„Hieronymus B.“: opulent, fantasievoll und extrem ausdrucksstark

HieronymusB_05_Kalle KuikkaniemiDas opulente, installative Bühnenbild sowie die fantasievollen Kostüme des Künstlerduos Les Deux Garçons schaffen den Rahmen. Die zeitgenössischen Kompositionen von Michiel Jansen bilden einen spannenden Kontrast zu Werken vergangener Epochen, darunter Musik von John Dowland, Georg Friedrich Händel, Henry Purcell und Alessandro Scarlatti (Gesang: Elisabeth Auerbach; musikalische Ltg: Dietger Holm).

Videokünstler Roger Muskee und Lichtdesignerin Loes Schakenbos geben eine weitere Facette hinzu. Und last, not least füllen die Tänzerinnen und Tänzer das Geschehen ausdrucksstark und mit einer unglaublichen Körperbeherrschung aus. Innerhalb des herausragenden Ensembles ist vor allem die Präsenz und Anmut von Emma Välimäki und Kyle Patrick einfach umwerfend. Ein Wahnsinns-Abend, der sich nur schwer in Worte fassen lässt, aber noch lange in Erinnerung bleiben wird!


Text: Elisa Reznicek, lebelieberlauter.de
Fotos: Kalle Kuikkaniemi/PR
Video: Nanine Linning/PR