Interview mit Emil Brandqvist („Falling crystals“): „Die Musik übernimmt und gibt mir die Richtung vor.“

Emil Brandqvist Trio by Steven Haberland

„Jazz darf alles, muss aber nichts“, hat Wolfgang Haffner einmal bei einem Konzert gesagt. Sein Schlagzeuger-Kollege Emil Brandqvist scheint das ähnlich zu sehen. Brandqvists aktuelles Album „Falling Crystals“ bezieht seine Einflüsse schließlich aus den unterschiedlichsten musikalischen Stilrichtungen von Jazz bis Klassik, die zu zart schimmernden Melodien und oftmals entschleunigten Arrangements verwoben werden, ohne dass sich der Bandleader verbiegt.

Ganz im Gegenteil: unaufgeregt und reduziert klingt das, ganz groß im Kleinen und dabei so facettenreich, dass sich einer meiner Presse-Kollegen zu den Worten „Diese Musik klingt wie gemalt“ hinreißen ließ. Recht hat er! Auch für mich ist „Falling Crystals“ eines der schönsten Jazz-Alben der letzten Monate.

Im Vorfeld des Konzerts in Karlsruhe (28.4.2016) sprach ich mit Emil Brandqvist über seine Inspirationsquellen und die Zusammenarbeit mit Tuomas Turunen (Piano, Celesta), Max Thornberg (Bass) sowie dem Sjöströmska String Quartet.

Elisa Reznicek: Dein Album scheint stark von der Natur beeinflusst zu sein. Hast du einen „Happy Place“, der dich inspiriert?

Emil Brandqvist: Ja, in der Tat. Als Kind bin ich in einem kleinen Dorf nahe der Westküste Schwedens aufgewachsen. Nur wenige Kilometer entfernt hatten meine Großeltern ein Sommerhaus. Die Sehnsucht nach dem Sommer und nach diesen Orten ist in mir. Eines der Sommerhäuser ist immer noch in Familienbesitz. Es liegt in Bobergsudde. Wenn ich dort bin und aufs Meer schaue, gibt mir das Frieden.

Elisa Reznicek: In Songs wie „The Sea beginns to freeze“ verbindest du Einflüsse aus der Klassik mit melodischem „Nordic Jazz“, Folk-Elementen und Arrangements, die auch gut Filmmusik sein könnte (die du ja auch schon geschrieben hast). Warum dieser eher eklektizistische Ansatz?

Emil Brandqvist: Ich liebe es, mir bewusst Zeit zu nehmen, um zu komponieren. Wenn ich dann tief in mich hineinhöre, übernimmt die Musik und gibt mir einfach die Richtung vor – nicht andersherum.

Elisa Reznicek: Gibt es bestimmte Komponisten oder Musiker, die deine Arbeit beeinflusst haben oder es noch tun?

Emil Brandqvist: Ich mag sehr gern zeitgenössische, neue Musik. Es ist spannend zu hören, an was andere Musiker arbeiten. Inspiration kommt aus so vielen Richtungen. Alles wird in meinem Hirn verarbeitet und abgespeichert. Wenn ich dann an meiner eigenen Musik arbeite, kommen diese Erinnerungen wieder hoch.

Als Kind habe ich beispielsweise viel Robert Schumann, Sergej Rachmaninov und andere klassische Komponisten gehört, aber auch Leute wie Keith Jarret. Mein Vater ist auch Musiker und Komponist. Er hat früher oft zuhause geübt. All das zusammen könnte man wohl als den Mix beschreiben, der mich beeinflusst.


Elisa Reznicek: Aus „Seascapes“ hast du mit einer Bläser-Sektion gearbeitet, auf „Falling Crystals“ kann man deine zweite Zusammenarbeit mit dem Sjöströmska String Quartet erleben. Warum hast du dich erneut für ein Line-up mit Streichern entschieden?

Emil Brandqvist: Ich liebe den Klang des Streichquartetts und habe mit dem Sjöströmska String Quartet daher sowohl mit meinem Trio als auch bei meinen Filmmusik-Projekten gearbeitet. Dieses Mal ging es mir um das behagliche Gefühl, das Streichinstrumente durch den Holzanteil der Instrumente auch ausstrahlen. Das kombiniert mit dem atmosphärischen Sound des Trios ist schon etwas Tolles!

Elisa Reznicek: Kannst du in einigen Worten schildern, wie du komponierst? Improvisierst du viel, schreibst du alles auf? 

Emil Brandqvist: Ich schreibe die Musik sehr oft auf. Für das Trio sind das die Melodie und Akkorde, manchmal auch bestimmte rhythmische Pattern für Klavier und Bass. Wenn ich Streicher einlade mit uns zu spielen, komponiere ich richtige große Arrangements. Wenn wir dann proben, bringen Max und Tuomas ihre eigenen Klangfarben mit rein.

Elisa Reznicek: Deine Musik ist ja eher ruhig und getragen. Hast du nie das Bedürfnis danach musikalisch auszuflippen?

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[lacht]

Elisa Reznicek: Wenn man “Pappas Vardagsrum” mitzählt (in Deutschland nur als MP3 erhältlich), ist das bereits dein viertes Album seit 2011. Das ist eine Menge! Wie kommt’s, dass du so viel veröffentlichst?

Emil Brandqvist: Ich habe einfach das starke Verlangen danach Musik zu komponieren und zu spielen. Ich habe aber auch zwei Kinder und arbeite als Schlagzeuglehrer, daher muss ich immer spät abends oder nachts komponieren – und dabei eben sehr effektiv sein.

Elisa Reznicek: Wie alt warst du, als du mit dem Schlagzeugspielen angefangen hast und warum hast du dir gerade dieses Instrument ausgesucht? 

Emil Brandqvist: Ich glaube, ich war sechs Jahre alt. Mein Bruder, der 18 Jahre älter ist als ich, war auch Drummer. Daher hatten wir im Keller immer ein Schlagzeug stehen. Manchmal hat mir Grooves und Pattern gezeigt.

Elisa Reznicek: Das ist dein erster Auftritt in Karlsruhe, nicht wahr?

Emil Brandqvist: Ja, ich war noch nie hier. Ich freue mich schon sehr darauf, Stadt und Leute kennen zu lernen!

Terminfo: Das Emil Brandqvist Trio spielt am 28.4.2016 im Kulturzentrum Tempel (Scenario-Halle). Los geht’s 20:30 Uhr. Hier gibt es mehr Infos


Interview: Elisa Reznicek, lebelieberlauter.de
Fotos: Aufmacherbild: Steven Haberland/PR, CD-Cover: Skip Records/PR (Partnerlink)