Filmkritik „Landraub“ – Doku von Kurt Langbein & Christian Brüser – Song zum Text: Romano „Brenn die Bank ab“

LandraubMan kann Gesellschafts- und Konsumkritik in 3:45 Minuten konzentrieren, wie es Romano in seinem Song „Brenn die Bank ab“ tut. Oder man holt tief Luft und legt wie Kurt Langbein und Christian Brüser in „Landraub“ den Finger gut anderthalb Stunden in die schmerzende Wunde. Ihre Dokumentation, die vor dem offiziellen Kinostart im Schauburg Kino in Karlsruhe gezeigt wurde, stellt in beeindruckenden Bildern und jenseits aller Polemik dar, wie das große Kapital die Landwirtschaft entdeckt hat – und wie teuer dies die Menschheit auf lange Sicht zu stehen kommen wird.

Land und Nahrungsmittel werden immer knapper, während die Weltbevölkerung unaufhaltsam wächst. Diese Verknappung lockt Investoren an, die in Landgrabbing und einer Art „Kolonialismus 2.0“ die perfekte Gelddruckmaschine sehen. Ihr Vorgehen entspricht nicht selten dem der korrupten Regime, die ihnen in die Hände spielen. Profit zu machen ist die oberste Maxime. Mensch und Umwelt? Ach, solange Geld fließt … Ihre riesigen Ländereien sind perfekt organisiert und industrialisiert. Doch zu welchem Preis?

Landraub in Kambodscha, Äthopien und Rumänien: das große Geld lockt

Zwei Jahre lang sind die Filmemacher Kurt Langbein und Christian Brüser um die Welt gereist, um in Ländern wie Kambodscha, Äthopien und Rumänien mit Investoren und vor allem ihren Opfern zu sprechen. Was sie vorfinden, ist oftmals so menschenverachtend und absurd, dass man eigentlich nur noch mit dem Kopf schütteln möchte. Doch eine Realität, in der Geld noch mehr Geld anzieht, während die Ärmsten der Armen ausgebeutet werden, ist leider keine Fiktion. Einige Beispiele aus dem Film „Landraub“:

  • Landraub_PlakatIn Rumänien gehen 50 Prozent der EU-Agrarförderung in 1 Prozent der Großbetriebe, während 70 Prozent der (traditionellen Klein-)Bauern gar kein Geld daraus beziehen. Letztere können sich nicht halten; Betriebe, die seit Generationen familiengeführt sind, gehen ein, weil sie natürlich nicht in Konkurrenz zu Big Playern treten können. Man muss kein Prophet sein, um zu sehen, warum dies in einem Land wie Rumänien direkt zu Armut führt (und auf lange Sicht zu Flüchtlingsströmen gen Nord- und Mitteleuropa).
  • In Äthopien bietet die Regierung Investoren 3,6 Millionen Hektar Ackerland für fünf Euro pro Hektar und Jahr an, während eine Tomatenpflückerin für rund 20 Euro Gehalt im Monat schuftet. Das Gemüse, die sie ernet, isst nicht ihre hungrige Familie – es geht an zahlungskräftige Gäste von Luxushotels, zum Beispiel in Dubai.
  • Für riesige Palmöl-Plantagen wird Regenwald in Indonesien (und anderswo) in einem unglaublichen Ausmaß gerodet. Das durch den RSPO dennoch als „nachhaltig“ zertifizierte Produkt (das sich in Kosmetika ebenso findet wie in Lebensmitteln) darf zudem mit Pestiziden und Kunstdünger behandelt werden; Kontrollmechanismen gibt es quasi nur auf dem Papier … und das ist geduldig.
  • In Kambodscha werden Kleinbauern mit brutaler Gewalt und unter fadenscheinigen Vorwänden von ihren Land verjagt, damit sich dort unter der schützenden Hand der eigenen Regierung ausländische Industrie ansiedeln kann. Es sind Szenen wie im Krieg, in denen Hütten brennen und Frauen markerschütternd vor Verzweiflung weinen. Die Bewohner stehen buchstäblich über Nacht ohne alles da und finden Zuflucht in einem Kloster. Nicht die „Volksvertreter“ setzen sich für sie ein, sondern die Mönche. 

Europa, schäm dich

Europa indes schaut nicht nur zu, sondern begünstigt diese Entwicklungen direkt (Fördermittel) und indirekt (Importe; Bio-Sprit; etc.). Kurt Langbein erklärt dazu in einem InterviewForscher der Heinrich-Böll-Stiftung haben es belegt: 44 Prozent des Geldes kommt aus Europa und wir sind die größten Nutznießer. 60 Prozent von dem, was wir tagtäglich konsumieren, wächst nicht mehr in Europa, sondern dort, wo die Leute selber nicht genug zu essen haben.“ Was also tun? Die Wahrscheinlichkeit, dass eine von Lobbyismus geprägte Politik die richtigen Hebel in Bewegung setzt, gehen gegen Null. Getreu dem Motto „Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt“ kann jeder einzelne Verbraucher und Konsument selbst ein Zeichen setzen. Möglichkeiten gibt es viele: regional und saisonal produzierte Waren einkaufen. Genau hinschauen, anstatt blind zu vertrauen. Nicht aufhören, gegen menschenverachtende und umweltzerstörende Praktiken zu demonstrieren. Aufklären. Handeln. Kurt Langbein und Christian Brüser haben mit ihrem Film „Landraub“ vorgemacht, was es bedeutet, sich zu engagieren.

LANDRAUB. Die globale Jagd nach Ackerland.

Ein Film von Kurt Langbein und Christian Brüser
Österreich 2015; 95 Min.
FSK: freigegeben ohne Altersbeschränkung
Kinostart in Deutschland: 8. Oktober 2015
Preview am 2. Oktober 2015 in der Schauburg, Karlsruhe (in Anwesenheit des Regisseurs)

Trailer zum Film „Landraub“

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Romano „Brenn die Bank ab“

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Text: Elisa Reznicek, lebelieberlauter.de 2015; Fotos:  PR/movienetfilm.de