„Oh, yes, wait a minute, Mr. Postman“ – Dirk Laucke „Mit sozialistischem Grusz“ (Buchkritik)

Dirk Laucke Mit sozialistischem Grusz
Dirk Laucke geht es gut. „So zufrieden war ich schon lange nicht mehr“, meint er angesprochen auf seinen Debüt-Roman „Mit sozialistischem Grusz“. Und er erzählt im KOHI Karlsruhe, wie sehr sich der Ausbruch aus der Routine des szenischen Schreibens für ihn wie ein Befreiungsschlag angefühlt habe.

Theaterstücke sind Lauckes täglich’ Brot, sie gehen ihm mittlerweile leicht von der Hand, wie man erfährt. Vielleicht einen Tick zu leicht. Gut 18 hat der 1982 in Sachsen geborene Dramatiker bereits geschrieben. Zahlreiche Preise damit eingeheimst. Sich auch in Sachen Hörspiel hervorgetan. Trotzdem, oder auch gerade deshalb, ist dieses Buch etwas ganz Besonderes für ihn (und sicher auch die Mehrheit seiner Leser). Es entwickelte sich aus einer eigenen Kurzgeschichte und wurde auf Anraten seines Agenten zu einer „vollwertigen“ Story. Die Wurzeln im Szenischen kann Laucke darin zwar nicht ganz kappen, aber ein gattungsübergreifender Stil mit Wiedererkennungswert muss ja nichts Schlechtes sein (berufliche Emanzipation hin oder her).

„Mit sozialistischem Grusz“ aus der Nachbarschaft

Im Zentrum des Werks steht, einmal mehr, der kleine Mann von nebenan. Dass Laucke dafür von Kritikern als „Anwalt der Underdogs“ gefeiert wird, kann er nicht verstehen. Ganz im Gegenteil: Der „klassifizierende Blick, der eine vermeintliche Unterschicht entdeckt“ sage viel über die Entfremdung des Kulturbetriebs von der Mehrheit der Gesellschaft aus.

Auch die Protagonisten in „Mit sozialistischem Grusz“ sind ohne goldenen Löffel im Mund geboren. Der Handlungsort, Bitterfeld im Jahr 2002, ist ein grauer, trister Ort mit hoher Arbeitslosenquote und wenigen Perspektiven. Ein Treff im „Asia Döner“ gehört zu den Höhepunkten des Tages, ansonsten regiert emotionale Sprachlosigkeit. „Hier haben die Dinge die Menschen in der Hand, die denken, dass sie die Dinge in der Hand hätten“ heißt es an einer Stelle im Roman sinngemäß.

Emotionale Sprachlosigkeit und ein Brief, der alles ändert

Auch zwischen Hermann F. Odetski und seinem Sohn Phillip, dem Ich-Erzähler des Buchs, gibt es längst keine echte Kommunikation mehr. Erst durch einen Brief werden Gefühle kanalisiert, findet eine vorsichtige Annäherung statt. Der Vater wendet sich ausgerechnet an Margot Honecker, der er auf seiner alten Erika-Schreibmaschine (mit abgebrochener ß-Taste) schreibt und um Rat ersucht. Er versteht die Welt und seinen Sohn einfach nicht mehr. Phillip, der den Brief eigentlich abschicken soll, lässt ihn erst verschwinden, ebenso das gut gemeinte „Care-Paket“ nach Chile, das sein Vater kurzerhand gepackt hat. Doch schließlich kommt doch eine Antwort …

Skurril – und ziemlich gut

So skurril die Grundidee klingen mag, sie funktioniert aus mehreren Gründen ziemlich gut. Das Menschliche ist tonangebend und vorurteilsfrei gezeichnet (oder wie es Laucke ausdrückt: „Natürlich haben meine Figuren einen Hau. Aber haben den nicht die meisten?“). Die Sprache ist nah dran an den Protagonisten, wirkt schnörkellos und frei heraus. Und sie lässt den Leser auf ungekünstelte Art und Weise am Leben von Philip und den anderen teilhaben. Ehe man sich versieht, ist man mitten in der Handlung, baut Sympathien für die Protagonisten auf und lacht mit ihnen – nicht über sie. Das zweite Buch von Dirk Laucke ist schon in Arbeit, das erste entsprechend wärmstens zu empfehlen.

Hier kommt der namensgebende Titel zum Artikel
The Beatles – „Mr Postman“

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Dirk Laucke „Mit sozialistischem Grusz“ kann man übrigens bei Amazon kaufen oder im kleinen Buchladen um die Ecke. Jeder, wie er mag! 


Text & Foto: Elisa Reznicek, lebelieberlauter.de 2015