„Da bin ich Fan von“ – Interview mit Drummer Wolfgang Haffner

Bild: Wolfgang Haffner by Elisa ReznicekWenn Stoppok singt „Da bin ich Fan von“, ist das natürlich eine ironisch überspitzte Gesellschaftssatire – ich hingegen meine die Wendung hier im Wortsinn. Fan von Wolfgang Haffner bin ich nämlich schon sehr, sehr lange. 🙂 Ich finde, er ist der beste deutsche Schlagzeuger und ein ganz wunderbarer, warmherziger und authentischer Mensch.

Doch der Reihe nach: Alles begann 2006 mit der „Zooming“-Tour und einem Auftritt im Tollhaus. Ich war hin und weg. Bei der Tour zu „Acoustic Shapes“ ein paar Jahre später stellte mich Elke, die damalige Chefin des Jazzclub Karlsruhe, Wolfgang vor – noch mit einem Hinweis der Marke „Keine Panik, das ist auch nur ein Mensch!“ Ich saß trotzdem relativ eingeschüchtert backstage, bis Wolfgang auftauchte. Er merke gleich, was Sache ist (mein Small Talk war wirklich sehr small, weil ich einfach nervös war) und spielte die ultimative Auflockerungskarte: „Wollen wir uns ein Panna Cotta teilen?“ Äh, na klar! Wir lachten und löffelten. Das Eis war gebrochen.

Wolfgang Haffner + Elisa ReznicekSeitdem verbindet uns ein sehr herzlicher Kontakt, der nach diversen großartigen Konzerten nun sogar dazu führte, dass er mich für ein Interview anfragte (verrückte Welt). Wir haben es vor einigen Wochen telefonisch geführt, lustigerweise gerade an einem Tag, als der KSC gegen Nürnberg spielte. Wer das Fußball-Match gewonnen hat, weiß ich nicht – aus unserem Gespräch sind wir beide mit einem breiten Grinsen als Gewinner hervorgegangen.

(Das Foto entstand übrigens 2013, bei seinem Gig in der klag Gaggenau)

Interview mit Wolfgang Haffner – Musik muss von Herzen kommen

Wolfgang Haffner hat mit Chaka Khan gespielt, den Fantastischen Vier und den No Angels. Stand mit Till Brönner und Nils Landgren ebenso im Studio wie mit Klaus Doldinger und Albert Mangelsdorff. Über 400 Platten gibt es mit seiner Beteiligung – einige der schönsten darunter unter eigener Flagge. Ende Februar erschien seine neue CD „Kind of Cool“, die dazugehörige Deutschland-Tour ist bereits in vollem Gange. Ich sprach mit dem gefragtesten und vielseitigsten Jazz-Drummer Deutschlands über Herzblut, Authentizität und diesen ganz gewissen „Haffner-Groove“.

Elisa Reznicek: Mit dem Album „Kind of Cool“ kehrst du zurück zu den Wurzeln: Es gibt viele Standard-Nummern wie „Autumn Leaves“ oder „My Funny Valentine“, im Geiste des Cool Jazz neu interpretiert. Wie kam es dazu?

Wolfgang Haffner: Das war eine Idee von Siggi Loch von der Plattenfirma, der mir vorschlug, doch mal wieder etwas anderes zu machen. Ich habe im Laufe der Zeit einen bestimmten Sound entwickelt und entsprechend erst einmal hin und her überlegt: Was hat das eigentlich mit mir und meiner Musik zu tun? Dabei habe ich mit einem Lächeln im Gesicht festgestellt, dass alles, was meine Musik ausmacht, auch im Cool Jazz drin ist, also im Sinne von schönen Melodien und Harmonien. Dave Brubeck und Co. waren außerdem meine Anfänge Ende der 70er, Anfang der 80er. Meine erste Platte war „Dave Brubeck live at Carnegie Hall“, empfohlen von meinem Vater. Insofern muss ich mich nicht verbiegen. Das würde auch nicht hinhauen: Es kommt nur dann etwas dabei raus, wenn ich das mache, was mir mein Herz sagt.

Elisa Reznicek: Dass du voll und ganz dahinter stehst, transportiert deine Musik sehr gut, finde ich.

Wolfgang Haffner: Nur so geht es ja auch. Ich weiß gar nicht, wie man anders Musik machen kann. Egal, was ich mache, ich versuche es mit Herzblut zu tun und immer alles zu geben. Das merken die Menschen, denn sie sind ja nicht dumm – auch wenn das manche Leute vielleicht meinen und nur auf den reinen Effekt setzen, zum Beispiel extrem schnell spielen und laut singen. Dann kommt vielleicht mal so ein Gewinner von „Deutschland sucht den Superstar“ dabei raus, aber in einigen Jahren weiß niemand mehr, wer das ist. Denn egal, um was es geht auf der Welt: Wenn irgendetwas keine Substanz hat, wird es sich nicht lange halten.

Elisa Reznicek: Der Sound ist anders als auf den Vorgängeralben, die ja eher einen sehr fließenden, relaxten, organischen „Chillout“-Groove hatten. Hast du keine Bedenken, dass dieser neue Klangcharakter deine Fans irritieren könnte?

Wolfgang Haffner: Nein, denn wenn ich Musik allein für die Fans machen würde, stände ich vor einem riesigen Problem. Es gibt so viele unterschiedliche Produktionen von mir, die aber alle letzten Endes doch mich verkörpern. Denen, die auf Straight Ahead Jazz stehen, geht beim aktuellen Album wahrscheinlich das Herz auf. Wer hingegen „Heart of the Matter“ toll fand, fragt sich vielleicht schon, was das mit dem „typischen“ Haffner-Sound zu tun hat.

Ich will damit sagen: Wenn ich mich nur danach richte, was Leute hören wollen, kann ich einpacken, denn ich kann nicht alle abholen. Das Wichtigste ist doch, dass ich authentisch bin und bleibe. Für mich ist es ein Haffner-Album, auch wenn es anders klingt. Es gibt schöne Melodien und Harmonien – und es gibt viel Raum, was auch ein Kennzeichen meiner Musik ist. Bei mir wird eher eine Note zu wenig als zu viel gespielt. Das macht es sehr entspannt. Stress gibt es schon genug auf der Welt; die Musik ist sozusagen mein Gegenpol dazu. Wenn man mit fast 50 Jahren immer noch versucht sich und anderen etwas zu beweisen, das gar nicht zu beweisen ist, macht das doch keinen Sinn.

Elisa Reznicek: Neben Klassikern finden sich auch drei Eigenkompositionen auf dem Album. Was inspiriert dich zu deiner Musik? Der Gang deiner Katzen, wie auf dem Vorgängeralbum „Heart of the matter“?

Wolfgang Haffner: Ja, genau. Alle drei haben darauf ein Stück bekommen: „Nacho“, „Luna“ und „Leo“. [lacht] Nachdem ich sie also ausreichend gewürdigt habe, dachte ich mir, dass bei „Kind of Cool“ mal nicht die Katzen herhalten müssen. Im Prinzip war es relativ einfach, als ich wusste, wer letztendlich mitspielen würde, wie eben der große Dusko Goykovich. Sofort schwebte mir mit ihm ein balladeskes Stück vor. Es ist quasi direkt aus meinem Herz heraus geflossen. Ich habe einen Rekorder mitlaufen lassen und musste überhaupt nicht lange an Harmonien und Melodien arbeiten. In 10 Minuten ist dieser Song entstanden, er hat sich quasi von alleine gespielt. Bei den anderen zwei Titeln war es ähnlich. Bei „Heart of the Matter“ war es genau so, wobei ich da Gitarrenmelodien für Dominic Miller geschrieben habe.

Elisa Reznicek: Hast du irgendwo eine Schublade mit vielen alten Ideen?

Wolfgang Haffner: Ja, viele sogar. Irgendwann habe ich alte Musik-Kassetten von Anfang der 90er Jahre gefunden. Die habe ich dann digitalisiert und mal nebenbei beim Kochen gehört. Bei manchen Sachen habe ich mich schon gefragt, was mich da wohl geritten hat [lacht], aber es waren auch super Ideen dabei, die ich zwischenzeitlich schon für Filmmusiken und andere Platten verwendete habe.

Elisa Reznicek: Bei Recording-Sessions bist du eine Mischung aus „Koordinator und Psychologe“, hast du einmal gesagt. Wie waren die Aufnahmen für die aktuelle CD in den Hansa Studios Berlin?

Wolfgang Haffner: Abends war ich ziemlich geschafft, konnte aber guten Gewissens behaupten, dass es toll gelaufen ist. Ich mache mir im Vorfeld viele Gedanken über den Produktionsablauf und Dinge, die die Spielfreude der Musiker beeinflussen können. Wenn natürlich jemand im Studio ankommt und seine Katze ist gestorben, habe ich darauf erst einmal keinen großen Einfluss. Aber wenn jemand morgens landet und dann schnell gestresst ins Studio hetzen muss, ist das auch nicht gut. Dann buche ich lieber ein Hotel für die Nacht vorher, damit die Musiker entspannt ankommen und wir zusammen vielleicht noch schön essen gehen können. Ich überlege immer: Wie möchte ich es haben und was kann ich dafür tun, dass die Produktion reibungslos abläuft. Wir können zum Beispiel nur so gut sein wie der Sound Engineer, und wir hatten den besten: Arne Schumann, der auch die ganzen Till-Brönner-Sachen macht. Jeder soll sich während der Aufnahmen nur auf die Musik konzentrieren können. Alles, was nervt, bleibt außen vor. Das zahlt sich unheimlich aus, zeigt meine Erfahrung aus hunderten Platten, die ich in meinem Leben eingespielt habe.

Wir sind also ins Studio gegangen und konnten einfach nach einer kurzen Besprechung angefangen. Manchmal haben wir eine zweite Version von einem Song gemacht, die meisten Sachen haben wir aber nur einmal gespielt. Dadurch hat das Ganze eine unheimliche Frische. Dazu kommt die Besetzung. Eine Nummer wie „So what“ hat im Original überhaupt kein Vibrafon. Das bringt eine interessante Farbe rein und schlägt die Brücke zum Modern Jazz Quartett.

Elisa Reznicek: Wer kommt mit auf Tour?

Wolfgang Haffner: Mein Trio und Christopher Dell, der auch auf „Kind of Cool“ zu hören ist. Das habe ich ganz bewusst so gewählt wegen dem Bezug zum Modern Jazz Quartet. Sie hatten auch die Besetzung Klavier, Schlagzeug, Bass und Vibrafon. Diese Band hatte zum Beispiel mit Miles Davis oder Cannonball Adderley überhaupt nichts zu tun – aber es war die gleiche Zeit, weshalb die Musik gleich in einen Topf mit Cool Jazz geworfen wird. Deswegen fand ich das spannend. Mal schauen, ob es jemandem auffällt.

Elisa Reznicek: Du hattest letztes Jahr starke gesundheitliche Probleme. Hast du nach deinem schweren Herzinfarkt etwas Grundlegendes geändert?

Wolfgang Haffner: Ja, ich bin weniger unterwegs und mache mehr Sport: Fahrrad fahren, laufen, schwimmen … Also all die Sachen, die zwangsläufig auf der Strecke bleiben, wenn man viel auf Tour ist. Ich habe meinen Fokus jetzt wieder mehr darauf gelegt, mich um mich selbst zu kümmern. Das war auch der eigentliche Grund, warum ich vor einigen Jahren nach Ibiza gezogen bin. Ich wollte es ein bisschen ruhiger angehen lassen.

Die Überlegung war: Wie oft will ich denn noch um die Welt fliegen? Meine Jobs als Begleitmusiker haben sich in Folge relativ schnell erledigt. Natürlich spiele ich ab und zu noch mit meinen Freunden Till Brönner oder Nils Landgren. Und wenn jemand wie Lee Ritenour anruft, der einer meiner Heroes ist, werde ich natürlich auch schwach. Aber ich versuche einfach viel mehr eigene Sachen zu machen. Mit meiner Band kann ich tun und lassen, was ich will. Wenn das weltweit von Menschen anerkannt und gemocht wird, ist das natürlich ein tolles Gefühl. Um dafür Platz zu schaffen, muss ich andere Sachen nicht mehr oder anders machen.

Elisa Reznicek: Hast du auch Musiker, die du bewunderst?

Wolfgang Haffner: Ja, letzten Endes bin ich Zeit meines Lebens Fan. Es gibt Musiker, ohne dich ich heute nicht derjenige wäre, der ich bin. Wenn ich zum Beispiel Steve Gadd irgendwo auf der Welt treffe, ist das fantastisch. Ohne den Mann gäbe es mich nicht. Nicht, dass ich zu Hause einen Steve-Gadd-Altar aufgebaut hätte, aber ich weiß, wo ich herkomme, welche Leute mir den Weg geebnet haben und welche Platten und Musiker für mich wichtig waren. Dafür bin ich sehr dankbar und das werde ich auch nie vergessen. Wenn ich die Möglichkeit habe, mit dem einen oder anderen von denen etwas zu tun zu haben, dann schlottern mir zwar nicht die Knie, sodass ich die Stöcke nicht mehr halten kann, aber ich ertappe mich manchmal schon dabei, dass ich mit dem wirklich allerbreitesten Grinsen hinter dem Drumset sitze. Es ist ein unheimliches Privileg, das ich nicht irgendetwas machen muss, nur um zu überleben, sondern mir über die Jahre diesen Status erarbeiten konnte. Ich habe ein sehr erfülltes, glückliches Leben.

Hier kommt nicht der namensgebende Titel zum Artikel, sondern einer meiner Lieblingstitel von Wolfgang Haffner: 24 Hours

[embedyt]https://www.youtube.com/watch?v=RSkE4P42ZP8&width=400&height=250[/embedyt]


Text, Interview und Aufmacher-Foto: Elisa Reznicek, lebelieberlauter.de 2015