„Musique non stop. Technopop!“ – Kraftwerk 3D im ZKM Karlsruhe, 13.9.2014

Kraftwerk01-ZKM130914_ElisaReznicek_wp„Es scheint, als wäre der gesamte Kultur- und Musikerkreis bei Kraftwerk gewesen“, stellt ein Bekannter augenzwinkernd beim Blick ins Gesichtsbuch fest, wo nach dem Gig im Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe fröhlich 3D-Brillen-Selfies, Snapshots von Eintrittbändeln und verwackelte Handyfotos geteilt werden. Andere witzeln weniger subtil. „Kraftwerk – gibt’s die immer noch?!“ (die Älteren) – „Kraftwerk? Ich kenn‘ nur Kraftklub!“ (die Jüngeren) – „Sie ist ein Model und sie sieht gut aus … *träller*“ (die vermeintlich Stimmstarken) …

In der Tat ist Kraftwerk 3D beim VVK-Start im Juli binnen Stunden ausverkauft und lockt am 12. und 13.9.2014 eine interessante Mischung aus Hipstern, Nerds, Angehörigen der Kulturelite und Nostalgikern zu einem der Konzerte. Dass ich ebenfalls dort bin, grenzt trotzdem an ein kleines Wunder, denn der Besuch der Technopop-Pioniere in Deutschlands schönster Baustellenstadt ist – Asche auf mein müdes Journalistenhaupt – bis zum Auftrittstag schlicht an mir vorbeigegangen. Doch unverhofft kommt oft: Über einen Bekannten eines Bekannten gibt’s zwei Tickets, die am Samstagnachmittag eilig beim Veranstalter umgeschrieben werden müssen, damit man überhaupt reinkommt (IN ist wer DRIN ist, nicht wahr -> es handelt sich personalisierte Karten, die mittels Ausweis kontrolliert werden).

Der Aufriss lohnt sich aber, und das nicht nur, damit man hinterher mit stolz geschwellter Brust sagen kann, man sei dabei gewesen! Songs wie der Hit „Model“, die musikalisch wie inhaltlich visionären Titel „Computerliebe“ (1981) und „Radioaktivität/Radioactivity“ (1975!) oder „Musique Non Stop“ fetzen heute genauso wie vor Jahrzehnten! Wer das bezweifelt, möge einen Blick in den halbstündigen Live-Mitschnitt vom Latitude Festival (UK, 2013) werfen.

Bei all dieser elektronischen Glückseligkeit macht es auch nichts, dass das gefühlt dreistündige „Autobahn“ sich ähnlich zieht wie ein Stau zum Ende der Sommerferien und die weißen 3D-Vintage-Pappbrillen zwar Mensch-Maschine-Kraftwerk-People kleiden, aber auf Dauer doch etwas unbequem sind. Überhaupt ist die visuelle Aufbereitung zwar ein interessantes, meist auf retro getrimmtes Accessoire (bei „Spacelab“ landet sogar ein virtuelles UFO vor dem ZKM), aber macht zumindest für mich nicht den Reiz des Ganzen aus.

Es ist der Gedanke daran, wie sehr Kraftwerk damals ihrer Zeit voraus waren, und die technische, sehr moderne musikalische Umsetzung heute, die geheimnisvoll hinter den Konsolen der vier Protagonisten versteckt bleibt. „Die erste Vermutung war, dass nur einer einen Start- und Stop-Kopf hat, alles aus dem Zentralrechner kommt und die anderen drei im TV-Programm zappen“, scherzt ein weiterer Bekannter, der am Freitag dort war, aber aus gesicherten Quellen eruieren konnte, dass „ein größeres Sammelsurium aus allen möglichen Geräten, inklusive Tablets und ähnlichem neumodischen Kram“ hinter den Sichtblenden montiert war.

Wie auch immer es Kraftwerk angestellt haben: Nach starken zwei Stunden ist die Zaubershow vorbei und alle sind glücklich. Die Hipster eilen zum DJ-Set ein Stockwerk höher, die Älteren gehen schlafen … es ist ja schließlich schon weit nach ein Uhr nachts.